Aktionswoche 2014 – eine Auswertung

Ein Jahr nach dem braunen Dienstag: Antirassistische Aktionswoche in Hellersdorf

Mit Veranstaltungen, Workshops, Theater, Filmen und einer Demo wurde Ende August auf die aktuellen Zustände rund um die Flüchtlingsunterkunft in Hellersdorf aufmerksam gemacht.
Mit Plakaten und Infoständen im Vorfeld richtete sich die Aktionswoche vor allem an Hellersdorfer*innen und bot mit theoretischen, praktischen Abendveranstaltungen, sowie Interventionen im öffentlichen Raum, ein abwechslungsreiches Programm.

Den Einstieg lieferte die Pädagogin und Historikerin Rosa Fava mit ihrem dichten Vortrag „Was ist eigentlich Rassismus“, indem sie die Unterschiede antirassistischer Theoriebildung aufzeigte. Für das Publikum ging es letztlich um die Frage warum es ausgerechnet in Hellersdorf zu einem solchen Aufflammen des Rassismus, zu solcher Feindschaft gegenüber Flüchtlingen, im letzten Jahr kommen konnte und wie im lokalen Rahmen gegen solche gesellschaftlichen Verhältnisse langfristig gearbeitet werden kann. Denn seit dem Einzug von rund 400 Flüchtlingen in einer ehemaligen Schule in der Carola-Neher-Straße, hat sich die Öffentlichkeit nur noch selten für die langfristige Perspektive interessiert und den Bezirk wieder sich selbst überlassen.

Was ist seit dem passiert: Offensichtlich ist, dass in dem Gebiet bei den zurückliegenden Wahlen bis zu zehn Prozent NPD gewählt haben und dass die Behörden es weiterhin nicht schaffen die Sicherheit der Flüchtlinge zu gewährleisten. Von einem „Klimawechsel“, der ein angstfreies Leben in Hellersdorf auch für Geflüchtete, Migrant*innen und People of Colour ermöglicht, der Solidarität mit Geflüchteten als common sense etabliert, kann keine Rede sein. Eine Chronik der Übergriffe und rechten Aktivitäten offenbart die erschreckende Regelmäßigkeit von tätlichen Angriffen auf das Gebäude, dessen Bewohner*innen und Unterstützer*innen. Auf diese immer noch latente und oftmals auch manifeste rassistische Bedrohung wurde mit einem längeren Recherche-Artikel reagiert. Bei der Aktionswoche gab es zudem einen Kiezspaziergang zu den Tatorten von rund 20 Übergriffen. An allen Punkten wurden Markierungen angebracht, um die Perspektive der Betroffenen öffentlich sichtbar zu machen. In einigem Abstand entfernte die Polizei die provisorischen Tafeln allerdings wieder.

Abgesehen von der rassistischen Straßengewalt hat sich an der humanitären Lage der untergebrachten Flüchtlinge, trotz Rundem Tisch des Bezirksamts und zahlreichen Solidaritätsinitiativen, wenig geändert. Die Beschulung der Kinder kam nur schleppend voran, Deutschkurse an den Volkshochschulen werden erst jetzt in größerem Maßstab angeboten, und der theoretisch nach drei Monaten mögliche Umzug in Wohnungen findet faktisch nicht statt, obwohl der Bezirk einer der wenigen mit Leerstand ist. Zudem reißt die Kritik am privaten Betreiber PeWoBe und der Heimleiterin Martina Wohlrabe nicht ab. Von hygienischen Mängeln, über die drangsalierenden Zugangskontrollen zu kameraüberwachten Fluren – das Hellersdorfer Heim ist ein Abziehbild des klassischen „Lagers“, so wie überall in Deutschland existiert. All die Beschränkungen für Geflüchtete (Arbeitsverbot, Residenzpflicht, Isolation und Perspektivlosigkeit) werden durch die Zumutungen des Lageralltags verstärkt. Das permanente Filtern der Außenwelt, der Kontakte, der Informationen, der Spenden und mehr oder weniger gewünschten Solidaritätsinitiativen durch die Heimleitung, macht es unmöglich hier ein halbwegs normales Leben zu führen. Der Skateworkshop während der Aktionswoche, hat den Jugendlichen aus der Unterkunft immerhin einen Nachmittag ohne diese Kontrolle beschert. Sicherlich ein Ansatz, der neben den Deutschkursen und der Einbindung von Sportvereinen, weiterzuverfolgen ist.

Die zuständige Stadträtin nennt die aktuelle Situation „relative Normalität“. Was sie verschweigt wurde bei einer Podiumsdiskussion zu den Möglichkeiten der Flüchtlingsunterstützung gleich zu Beginn der Aktionswoche deutlich. Die preisgekrönte Initiative „Hellersdorf Hilft“ darf mittlerweile das Heim nicht mehr betreten. Auch die prall gefüllte Spendenkammer musste aufgelöst werden. Die bundesweit gefeierte Kooperation mit der benachbarten Alice-Salomon-Hochschule für Soziale Arbeit hat sich kaum weiterentwickeln können, weil die Studierenden durch den Träger des Heims systematisch von den Bewohner*innen ferngehalten werden. Dass in der Nachbarschaft nun extra ein Ladenlokal mit Spendengeldern angemietet werden musste, um unabhängige Räumlichkeiten für Solidaritätsarbeit und ein paar Internetarbeitsplätze für Geflüchtete anbieten zu können, zeigt, dass in Hellersdorf eben nicht alles gut ist und die Zusammenarbeit mit PeWoBe in Hellersdorf ebenso unmöglich ist, wie in Grünau oder mit dem Betreiber Gierso in Moabit.
Von einem Aktivsten, der seit 2012 die Flüchtlingsporteste von Würzburg bis in die Friedrichshainer Gürtelstraße begleitet, wurde angemahnt, dass das Beheben der offensichtlichen Mängel in den Unterkünften nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass es bei ernst gemeinter „Willkommenskultur“ um mehr gehen muss. Ohne großzügige Bleiberechtsregelungen, Wohnungsunterbringung, Aufhebung des Arbeitsverbots und Schaffung eines selbstbestimmten Alltags für Flüchtlinge in Deutschland, wird es keine nennenswerten Verbesserungen geben. Ein ähnlicher Tenor wurde am Mittwoch bei einer Veranstaltung zur Abschottungspolitik Europas angeschlagen. Ohne strukturelle Veränderungen bei der europäisierten Flüchtlingsabwehr z.B. im Mittelmeerraum, wirken die wenigen Lichtpunkte (z.B. die Lockerungen der Residenzpflicht) wie Augenwischerei.

Auch am Mittwoch wurden in den „Asyl-Monologen“ von Fluchtgeschichten und den Alltagserfahrungen von Geflüchteten in Deutschland berichtet. Das AJZ Kita/ La Casa war bei diesem Theaterstück gut gefüllt, was auch anzeigt, dass die kulturelle Interpretation komplexer Themen meist zugänglicher für ein breiteres Publikum ist. Ähnliche Erfahrungen wurden auch beim Abschluss der Woche, dem sog. Balkonkino am U-Bhf. Hellersdorf gemacht. Zwar blieben nicht alle der Passant*innen den ganzen Abend dort, aber viele verweilten und schauten sich interessiert Videos und Filme an.

Insgesamt den Erwartungen entsprechend war auch die kurze Abschluss-Demo am 30. August, die vom U-Bhf. Cottbusser Platz, über die Helle Mitte bis zum La Casa führte. Die gerade mal 150 Antirassist*innen waren laut und konnten sich gegen rechte Pöbelleien vom Rand gut wehren. Mit Redebeiträgen, die sich auch auf die parallel laufenden Kämpfe in der Gürtelstraße bezogen wurde eine Brücke zwischen den lokalen Unwägbarkeiten der Solidaritätsarbeit, dem institutionellen und gesellschaftlichen Bedingungen von Rassismus gezogen.
Die Woche endete dann mit dem Randgestalten-Festival auf dem Gelände des La Casa. Hier traten bis in die Nacht Bands auf und auch Flüchtlinge aus der Unterkunft beteiligten sich an dem Festival. Diese waren am Morgen noch von der Heimleitung gewarnt worden, sie sollten die Unterkunft nicht verlassen, weil angeblich Nazis irgendwas planen würden. Ein gutes Beispiel für die politisch motivierte Filterung der Außenwelt durch die Heimleitung. Im letzten Jahr war sie wiederholt in die Kritik geraten, weil sie gerade nicht vor NPD-Aufmärschen in der Gegend gewarnt hatte.

Festzuhalten ist: Die Aktionswoche vom 25. bis 30. August war erfolgreich. Dass sich die rassistische Bürgerbewegung Marzahn-Hellersdorf (ehemals Bürgerinitiative) die ganze Woche nicht aus Facebook-Deckung wagte und keine der angekündigten Störaktionen durchführte zeigt an, dass in Hellersdorf sich sehr wohl was ändern kann. Wir müssen nur dran bleiben. Die nächste Aktionswoche ist schon in Planung.